Ein Einwanderer mit reichlich Aroma im Gepäck
Der Name der Primitivo-Traube ist heute untrennbar mit Süditalien verbunden, denn der vollmundige dunkelrote Wein, der daraus gemacht wird, gehört zu den am meisten verkauften Sorten aus Italien. Er passt hervorragend zu den Speisen der italienischen Küche und macht einen Großteil der in Italien angebauten Rebsorten aus. Eine Auswahl an Primitivo Weinen gibt es hier.
Dabei liegt die Heimat der Traubensorte wesentlich weiter im Osten. Erst seit 150-250 Jahren wird sie in Apulien angebaut, von wo sie Anfang des 19. Jahrhunderts über Wien nach Amerika gelangte und dort unter dem Namen ‚Zinfandel‘, der vermutlich auf eine fehlerhafte Paketbeschriftung zurückgeht, Karriere machte.
Was Weinexperten immer wieder vermuteten konnte in den 1990er Jahren die Önologie-Professorin Carole Meredith von der Universität Davis anhand einer genetischen Untersuchung beweisen. Die Primitivotraube und die Zinfandeltraube sind miteinander verwandt und stammen beide von der Traubensorte Crljenak Kastelanski aus Kroatien ab. Dort stellte man aus den an der Küste Dalmatiens gereiften Trauben einen fruchtbetonten dunklen Rotwein her. Seit dem 15. Jahrhundert hieß er in der Region Split Tribidrag, in der Region Dalmatien auch Pididrag. Vermutlich war die Weinrebe ursprünglich aus noch weiter östlich gelegenen Regionen wie Griechenland, Albanien oder Ungarn nach Kroatien gelangt.
Sonnenverwöhnte „frühreife“ Traube mit eleganter Frucht und Würze
In Apulien, an der Stiefelsohle Italiens, findet die robuste Rotweintraube zwischen Adria und Ionischem Meer ideale Entwicklungsbedingungen. Die vielen Sonnenstunden lassen die Beeren viel Zucker produzieren und den Wein früh reifen, die kühlen Scirocco-Winde und der karge Sandboden bringen Frische und Leichtigkeit und prägen das charakteristische Aroma. Auf die verhältnismäßig frühe Traubenreife bezieht sich auch der Name des Rotweins. Er ist abgeleitet von dem lateinischen Wort „primativus“, was so viel bedeutet, wie „der früh Reifende“. Schon 1799 findet die Weinsorte unter dem Namen „Primativo“ Erwähnung.
Eine weitere Eigenart im Reifeprozess macht die Primitivotraube zu einer Besonderheit. Da die Trauben zwar früh aber nicht gleichmäßig reif werden, müssen sie per Hand gelesen werden. Zwischen vollreifen, saftigen Trauben finden sich also immer wieder auch grüne Beeren, so dass bei der Weinlese mehrere Schritte nötig sind.
Typisch für den Primitivowein sind seine vollmundigen, ausgeprägten Fruchtnoten von dunklen Kirschen und Waldfrüchten in Verbindung mit vielseitigen Würzaromen wie Zimt, Pfeffer und Nelken. Die fein eingebundene Säure und kraftvolle Tannine geben dem Wein zusätzlich Komplexität und Charakter. Auch der verhältnismäßig hohe Alkoholgehalt von 14, 15 oder sogar 16% unterstreicht den intensiven, vielseitigen Geschmack des Rotweins.
Kulinarisch lässt er sich vielseitig kombinieren. Primitivos passen gut zu deftigen Gerichten mit geschmortem, dunklen Fleisch, aber auch zu leichteren Fleischgerichten und Kurzgebratenem. Auch kräftig gewürzten Speisen halten sie stand und bilden eine gute Ergänzung. Dazu gehören Pasta-Gerichte ebenso wie Currys oder Rezepte aus der asiatischen Küche. Und natürlich ist der ausdrucksvolle Rotwein auch vielseitig genug für einen Soloauftritt.
Vom Massenprodukt zum Edeltropfen
Mit seiner tiefroten Farbe und dem vollmundigen Fruchtaroma erfreute sich der Wein aus der Primitivo-Traube seit langem großer Beliebtheit. Zunächst wurden einfache Weine für jede Gelegenheit und Massenprodukte daraus hergestellt. Häufig wurde er mit anderen Sorten aus Apulien, wie Negroamaro, oder beliebten Sorten wie Merlot als Cuvée angeboten.
Doch seit den 1990er Jahren kann die ausdrucksstarke Traube ihre Qualität zunehmend in sortenreinen Weinen ausspielen. Zum Markenzeichen dafür ist der Name der Appellation, die Region Manduria in Italien, geworden. Das DOC-Siegel ‚Primitivo di Manduria‘ steht für elegante, ausdrucksstarke Weine mit feinem Fruchtaromenspiel. Ebenfalls hochwertige Weine produzieren die DOC-Regionen ‚Gioia de Colle‘ im Hinterland von Bari und ‚Falerno del Massico‘.
Feine Vanillenoten durch Ausbau im Eichenfass
Die robuste Weinrebe lässt sich zu unkomplizierten Alltagsweinen verarbeiten, die jung getrunken werden können. Aber gerade weil es sich um eine widerstandsfähige Rebsorte handelt, gibt es auch sehr alte, sorgfältig kultivierte Weinstöcke, deren Trauben zu exzellenten Weinen mit komplexer Aromenstruktur ausgebaut werden. Viele alte Rebstöcke sind 75 bis 100 Jahre alt. Sie geben zwar nur einen geringen Ertrag, aus dem sich jedoch ungewöhnlich gehaltvolle, komplexe Weine machen lassen. Eine einzigartige Ausstrahlung verleiht ihnen der Ausbau im Eichenfass. Die ausdrucksstarken, aber weichen Fruchtnoten werden mit überraschenden Würzaromen ausbalanciert und ergeben einen charaktervollen, trockenen Wein mit intensivem Körper und von höchster Eleganz.
Ein wahres Feuerwerk an Aromen entfaltet schon der ‚Zolla‘ von den Vigneti del Salento. Seine Farbe ist dunkelrot mit violetten Anklängen. Am Gaumen entwickeln sich Noten von reifen roten Früchten, Marmelade und Schokolade. Durch den Barrique-Ausbau werden seine eleganten Würznoten hervorgehoben.
Der ‚Feudi di San Gregorio‘ mit dem DOC-Siegel wird 12 Monate im Edelstahltank ausgebaut und reift noch einmal sechs Monate in der Flasche. Er bietet ein üppiges Fruchtbouquet, mit feinen Würznoten und samtigen Tanninen.
Zu der neuen Generation hochwertiger Primitivos gehört der 2015er Cantine San Marzano Sessantanni Primitivo di Manduria 60 DOP aus sorgfältig kultivierten alten Rebstöcken. Er vereinigt Nuancen von Kirsche, Dörrpflaume und Brombeere, außerdem Vanille, Marzipan und kräftige Würznoten, wie Tabak und Nelken. Mineralische Anklänge machen die Restsüße leicht und elegant.
Auch der 2015er Palmenti Vigne Vecchie der Cantine San Marzano stammt von alten Rebstöcken und ist 12 Monate im Barrique ausgebaut. Kirsch- und Himbeernoten werden hier von Zimt, Schokolade, Vanille und Karamell begleitet.
Ebenfalls 12 Monate im Barrique gereift ist der 2015er Tre Mani Rivale Black Edition, ein Spitzenprodukt mit Fruchtnoten von Pflaume, Kirsche und Himbeere, würzigen Lebkuchenanklängen und Aromen von Zimt, Walnuss, Nelken und Pfeffer. Seine Mineralität verleiht den vollmundigen Früchten Leichtigkeit und die amerikanische Eiche schafft mit den Anklängen von Vanille eine Verbindung zwischen Frucht- und Gewürzaromen. Dieser Wein ist der Inbegriff eines samtigen Rotweins mit intensivem Aromenspiel, den man an einem langen Winterabend vor dem Kamin genießen möchte.
Eleganter Süßwein aus getrockneten Trauben
Wegen des hohen Zucker- und Alkoholgehalts bietet es sich an, aus der Primitivo-Traube einen Süßwein herzustellen. Seit 2011 ist der sortenreine Süßwein „Primitivo de Manduria Dolce Naturale“ aus am Rebstock getrockneten Trauben auf dem Markt und als erster Wein aus Apulien als DOCG zugelassen. Der besonders dichte Rote hat eine Restsüsse von 30 bis 80 g und erinnert an Amarone. Durch eine zweite Gärung wird er besonders dunkel und intensiv im Aroma. Die 12monatige Reifezeit im Barrique rundet den vollmundigen Wein mit Vanillenoten ab. Nach oben